Heimat, nicht von gestern – Landtagswahl 2016

  • Heimat, nicht von gestern.

    Ohne GRÜN wird alles schwarz – Wolfgang Schlagweins Aufruf zur Landtagswahl

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Ohne Grün wird alles schwarz

Das Jahrespaar 2015/2016 wird in unsere Geschichte eingehen wie zuvor die Jahre 1989/1990. Wir finden uns, fast über Nacht, als Einwanderungsland wieder. Und sind in keiner Weise darauf vorbereitet.  „Kinder statt Inder“, ein früherer Wahl-Slogan der NRW-CDU, macht deutlich, warum wir bis heute kein Einwanderungsgesetz haben, sondern ein Gesetzesdickicht zur Einwanderungsverhinderung. Und ein Asylrecht, das bis in die Knochen auf Abschreckung, Abgrenzung und Abschiebung ausgerichtet ist, keinesfalls auf Integration.

Jetzt geht es hin und her. Pegida-Aufmärsche, dazwischen Willkommenskultur, Forderung nach Obergrenzen und jetzt nach Schießbefehl, auch gegen Frauen und Kinder. Längst geht es aber um noch mehr. Auf breiter Front wird versucht, die gesellschaftliche Entwicklung zurückzudrehen. Ein Roll-Back allen Fortschritts der letzten Jahre und Jahrzehnte: Stopp der Energiewende und zurück zu Atom und Kohle. Statt Willkommenskultur Mauern und Stacheldraht. Statt Integration Ausgrenzung. Statt Gesamtschule und gemeinsames Lernen zurück zur sozialen Trennung im alten dreigliedrigen Schulsystem (wie die AfD nun auch fordert). Zurück, zurück, zurück…

Wolfgang Wahlplakat

Die Flüchtlinge, die jetzt kommen, halten uns einen Spiegel vor. Wie stellen wir uns unser Land vor? Wem soll es Heimat geben? Was gibt uns Heimat? Längst geht es um mehr als um Obergrenzen und Flüchtlinge.

In diesen Tagen hört man vom Gründungsversuch einer neuen Naturschutzorganisation, einer Art „Bewegung zum Schutz der deutschen Landschaft vor Überfremdung mit Windrädern“. Die Analogie zu Pegida ist evident, wo man sich zum „Schutz des christlichen Abendlandes vor dem Islam“ getrieben fühlt. Aus dem Bedürfnis nach Heimat wird Abwehren, Abschotten, Ausgrenzen. Was sich da zeigt, ist „das problematische Glück der Heimat“, wie es Ludwig Trepl formuliert hat.

Denn Heimat ist nun einmal nicht unveränderlich. Wir können sie nicht konservieren, wie wir ein Gemälde konservieren. Auch eine Landschaft ist nicht konservierbar. Konservieren können wir allein ein Bild, das wir von ihr haben.

Heimat ist kein Endpunkt, sondern „das, wovon wir ausgehen“ (T.S.Elliot). Heimat muß entwickelt werden, und verlangt dazu die Aufnahme des Fremden. Jesus war eben nicht Deutscher, wie es die schwarz-rot-gold angemalten Holzkreuze suggerieren, die auf Pegida-Versammlungen gerne hochgehalten werden. Die Religion, die er stiftete, kam nicht aus den germanischen Wäldern, sondern, daher, von wo jetzt viele der Flüchtlinge zu uns kommen. Heimat entsteht gerade nicht durch Abschotten und Ausgrenzen.

GRÜN gehts weiter - Wahlprogramm TileEs gibt auf dieser Welt zwei Grenzen, die ziemlich dicht sind. Eine zwischen Nord- und Südkorea, eine zwischen Palästina und Israel. Es gab mal eine dritte, zwischen BRD und DDR, mit Todesstreifen und Mauer in Berlin. Heimat bieten solche Grenzen nicht. Und eine Heimat von gestern führt in keine Zukunft.

Wir Grüne stehen wie keine andere Partei dafür Heimat zu bewahren. Aber eben auch nicht abzuschotten. Sondern auch das Neue zuzulassen und aufzunehmen, auch, wenn es zunächst fremd erscheint.

Unterstützen Sie uns – vor allem mit Ihrer Zweitstimme – in der Landtagswahl am 13. März. Helfen Sie mit, ein Roll-Back zu verhindern.

Mehr Vernunftkultur? Mehr Vernunftkultur!

Unser Land hat sich geöffnet. Es ist in den vergangenen Jahren bunter geworden. Es hat nach einem langen Weg zu den westlichen Demokratien gefunden. Es spricht von Teilhabe und Integration. Es entwickelt gerade eine neue politische Beteiligungskultur der Bürgerinnen und Bürger, nicht ohne (wie könnte es anders sein) nun auch eine VDI-Norm zur Beteiligung entwickelt zu haben. Es hat vom Fußball-Sommermärchen zur Willkommenskultur gefunden. Und ist ein Ort der Zuflucht geworden. Ein Land, das vor noch nicht langer Zeit ganze Bevölkerungsteile ausgrenzte, in die Emigration zwang oder einsperrte und schließlich ermordete, dieses Land steht nun für die europäische Ideen von Aufklärung und Vernunft.

Wolfgang Schlagwein im Landtag
Wolfgang Schlagwein im Landtag

Jetzt ausgerechnet fordert Markus Söder (CSU) in Bild, wir müssten „von einer Willkommenskultur zu einer Vernunftkultur“ kommen. Gerade diese „Vernunftkultur“ ist aber sein Problem: Es sind Vernunft und Aufklärung, denen wir Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verdanken:

„Alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten geboren“ und „mit Vernunft und Gewissen begabt“. „Vernunftkultur“, in deren Genuß auch Markus Söder kommt, ist die Grundlage unserer modernen Gesellschaft.  Dazu gehört nun einmal auch Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte; „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.“

Unser Grundgesetz steht auf diesem Boden. Es kennt keine Obergrenzen für Flüchtlinge.

Nun werfen Teile der Regierungsparteien von CDU und vor allem CSU ihrer eigenen Bundeskanzlerin eine „Herrschaft des Unrechts“ vor. Es muß uns klar sein: der Angriff gilt nicht der Kanzlerin. Es ist der Versuch, die Zeit zurückzudrehen.

Ob Ausländermaut, Herdprämie, Obergrenzen oder Windräder: die Wagenburg wird geschlossen und zur Heimat konserviert. Die Anderen, das Fremde, werden ausgegrenzt. Zur Heimat gehört nur, wer und was zu uns gehört. Und uns in die Landschaft paßt. Atomkraftwerke ja, Windräder nein?

Bis sich eines Tages die Parole ausgegeben wird, Wagenburg und Heimat seien zu eng abgegrenzt. Dann müssen die Grenzen nach außen verschoben werden. Auf Kosten der Nachbarn, der Anderen. Es sind ja nur die Fremden.

Die Politik des Abschreckens scheitert

Im Oktober 2013 stapelten sich auf Lampedusa hunderte Särge ertrunkener Flüchtlinge. Ein Jahr später wurde die Operation „Mare Nostrum“ beendet. Italien fand für das Seenotrettungsprogramm, das in nur einem Jahr über Hundertausend Flüchtlinge vor dem Ertrinken rettete, im übrigen Europa nicht genügend Unterstützung. Die europäischen Regierungen verweigerten die Hilfe. Europäische Strategie wurde nicht Seenotrettung, sondern blieb die Abwehrstrategie im Rahmen des Frontex-Grenzschutzes.

Heute fordert Frau Klöckner Auffanglager für Flüchtlinge in Grenznähe. Es gab diese Flüchtlingslager, sogar noch weiter weg: an den Grenzen Syriens. Zu weit weg? Denn die UNHCR bettelte vergeblich um Geld, um die Flüchtlinge dort versorgen zu können. Dann mußte sie die Rationen für die Flüchtlinge halbieren. Ab da sahen die Menschen nur noch einen Ausweg – die Flucht zu uns.

Jetzt sind sie da. Abschreckung wird nicht viel helfen. Tunesien, Algerien, Marokko als weitere „sichere Drittstaaten“? Kein Dutzend Zuweisungen von Asylbewerbungen, ein paar Dutzend Geduldete gibt es in Rheinland-Pfalz aus diesen Ländern.  Residenzpflicht? Damit würde den Flüchtlingen während ihrer Verfahren der Besuch des Sprachkurses im Nachbarort verwehrt. Kein Nachzug der Eltern unbegleiteter Minderjähriger? Etwa 500 solcher Fälle gab es überhaupt nur in 2015. Sanktionen bei Integrationsverweigerung, wo die Wartelisten der Flüchtlinge auf Integrationskurse immer länger werden?

Integrieren statt Abschrecken

Mit der grünen Regierungsbeteiligung hat Rheinland-Pfalz seit 2011 einen anderen Weg eingeschlagen.  Mit einem eigenen Ministeriums für Integration haben wir die Zeichen der Zeit erkannt. Die Große Koalition verschiebt nur Zuständigkeiten eines versagenden Bundesinnenministers an das Kanzleramt. Eines Bundesinnenministers, dem wohl nicht nur das Kirchenasyl ein Graus ist.

Die Kapazität in den Landeseinrichtungen zur Erstaufnahme von Flüchtlingen haben wir in 2015 nahezu verzehnfacht.

Wir haben Sprachkurse eingerichtet, die lange vor den versprochenen, aber bis heute viel zu wenigen Sprachkursen des Bundesamtes einsetzen. Gerade wir Grüne haben auf Bundesebene dafür gestritten.

Wir haben, auch zusammen mit dem Handwerk,  dass die Asylbewerber und –bewerberinnen arbeiten dürfen, dass junge Flüchtlinge eine Lehre aufnehmen dürfen und nicht aus dieser Lehre heraus abgeschoben werden können.

Wir haben von Anfang an auf freiwillige Rückführung gesetzt, nicht auf Abschiebung. Inzwischen gelingt es, nahezu 90% der Rückreisen über dieser freiwilligen Basis zu organisieren. Das erleichtert die Situation  für alle Beteiligten, nicht nur für die Flüchtlinge, auch für die zuständigen Behörden und nicht zuletzt für die Kommunen. Denn Abschiebung ist setzt eine rechtskräftige Ablehnung eines Asylgesuchs des Bundesamtes für Migration voraus. Würden wir in Rheinland-Pfalz auf diese  Entscheidung warten müssen, stünden unsere Kommunen noch vor einem ganz anderer Bedarf an Unterbring und Versorgung.

Das alles darf nach dem 13. März nicht zur Disposition stehen!

Mehr Autonomie wagen – auch Energieautonomie!

Das Bedürfnis nach Heimat mündet schnell in Unbehagen: wo die Veränderung vertrauter Landschaft als Zerstörung empfunden wird, das Nutzendenken dominiert und statt Maß haltenden Fortschritts ein bedingungsloser um sich greift. TTIP steht für diese Bedingungslosigkeit, die zuerst die Wirtschaft und dann die Menschen sieht,  die demokratische Prinzipien unterläuft und Umwelt- und Arbeitsschutznormen zur Seite schiebt. TTIP ist das Gegenteil regionaler Autonomie.

Schon 1960 beklagte der Werkbund um Walter Rossow die Schattenseiten des Wirtschaftswunders als „große Landzerstörung“. Von der Zersiedelung der Landschaft über die „Unwirtlichkeit der Städte“ reicht die Kritik bis zu den heutigen Folgen der Globalisierung.

Gerade in einem der am stärksten globalisierten Wirtschaftssektoren, der konventionellen Energieversorgung, hat aber die Gegenbewegung zur Globalisierung derzeit als Energiewende die größten Erfolge.

Der Siegeszug der Erneuerbaren Energien liegt in ihrem zweiten großen Vorteil, der nicht in ihrem Namen steckt: Sie sind nicht nur erneuerbar, es können sie auch viele Menschen in ihre eigenen Hände nehmen. Ganz im Gegensatz zur alten, fossil-atomaren Energiewelt, wo wenige Konzerne in globalen Wertschöpfungsketten und marktbeherrschender Stellung  Geschäft und Gewinn unter sich ausmachen.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) der rot-grünen Bundesregierung hat vor 15 Jahren mit garantiertem Zugang zum Stromnetz und gesicherter Vergütung des einspeisten Stroms erfolgreich Technologie gefördert. Es hat einen rapiden Fall der Gestehungskosten der Stromerzeugung eingeleitet. Es hat vor allem das „marktbeherrschende Duopol“ (Bundesgerichtshof im Eschwege-Urteil 2007) von RWE und E.ON gebrochen. Zusammen mit Vattenfall und EnBW verfügten nur 4 Konzerne über rund 80% der konventionellen Stromerzeugung.

Das EEG hat ganz neuen Akteuren, wie Bürgerenergiegenossenschaften, Landwirten oder Stadtwerken einen Marktzugang verschafft. Die haben über 95% der installierten Anlagenkapazität Erneuerbarer Energien auf den Weg gebracht, während die 4 großen Konzerne bis heute über den kümmerlichen Rest von zusammen (!) 5 % nicht hinaus kommen.

Damit einher gehen nun ganz neue Möglichkeiten, vor Ort, in den Regionen, die Angelegenheiten der örtlichen Daseinsvorsorge, hier: der Energieversorgung, wieder in die eigenen Hände zu nehmen und mehr Autonomie zu wagen.

Zweifellos geht dies einher mit einer Veränderung von Heimat: in dem Maße, wie die Energieversorgung wieder zurück auf die Fläche kommt, verändert sie das vertraute Landschaftsbild. Das hat auch die konventionelle Energieversorgung getan: Mit ihren Großkraftwerken, Stromtrassen oder Braunkohletagebauen, die ganze Dörfer, Äcker und Wälder für immer verschwinden ließen und den Klimawandel anheizen. Der Unterschied ist nur: Solaranlagen, Windräder, Biogasanlagen oder Kraft-Wärme-Kopplung in dezentralen Nahwärmesystemen können die regionalen Akteure in eigener Regie betreiben.

Es  liegt in unserer Verantwortung, das rechte Maß zu finden. Auch Erneuerbare Energien befreien uns  nicht von den Grenzen dieses Planeten. „Von nichts zu viel“ gilt auch hier. Entscheiden müssen wir in eigener Verantwortung. Auch das gehört zur Autonomie.

Kinder statt Inder? Bekennen wir uns endlich als Einwanderungsland!

1999 führten Roland Koch und die CDU die hessische Landtagswahl mit jener unseligen Unterschriftenaktion gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft durch die rot-grüne Bundesregierung. Wenig später legte die CDU in der NRW-Landtagswahl mit ihrer Kampagne „Kinder statt Inder“ nach. Nicht wenige Kommunalpolitiker glauben heute noch, nicht Frauen, sondern Baugebiete bekommen Kinder.

Bis heute hält die Lebenslüge konservativer Politik an, wir seien kein Einwanderungsland. Diese Lebenslüge beschert uns bis heute eine Einwanderungsverhinderungsgesetzgebung statt eines Einwanderungsgesetzes. Sie beschert uns eine Asylpolitik, über Jahre und bis auf die Knochen nicht auf Integration, sondern Abschreckung und Abschiebung ausgerichtet. Flüchtlinge, denen erst nach Jahren eine Arbeitsaufnahme gestattet wurde. Jugendliche, die aus der Lehre heraus abgeschoben wurden.

Hier, auf Bundesebene,  liegt der Flaschenhals derzeitiger Asylpoltik: ein Bundesamt das zwar Migration im Namen trägt, aber über ein Amt für aufgestaute Abschiebung nicht hinaus kommt. Seit Jahren, nicht erst seit 2015, türmen sich hier die unerledigten Asylanträge auf. Rund 100 Entscheider sind Rheinland-Pfalz seit langem zugesagt, inzwischen gibt es knapp 3 Dutzend. Ergebnis: die Flüchtlinge warten auch heute noch Monate, bis ihre Anträge überhaupt zur Bearbeitung angenommen werden. Sie warten auf Integrations- und Sprachkurse, die das Bundesamt verspricht, aber nicht liefert. Die allermeisten wollen die deutsche Sprache lernen. Wäre es nicht ein Grund zur Freude, wo doch eben noch befürchtet wurde, der demografische Wandel verurteile die Sprache Goethes, Schillers und vieler Nobelpreisträger, nicht wenige davon jüdischen Glaubens, stürbe aus?